Wisst ihr liebe Community, diese Zeilen sind sehr schwer für mich…
Zuallererst möchte ich euch schonmal vorab mit dieser Kolumne mitteilen, dass ich keinen Krieg anzetteln möchte. Aber genau wie Eren Jäger, bin ich jemand der nach Freiheit strebt:
- die Freiheit zu streamen mit so vielen Anbietern wie ich will
- die Freiheit entscheiden zu können, was ich wann wie welchen Content bringen will und kann
- die Freiheit Pause zu machen und
- die Freiheit mir zu nehmen und für die Leistungen die man erbringt stolz zu sein.
Ich bin oftmals seit 2012 damit konfrontiert, mich mit der großen Konkurrenz messen zu müssen. Innerhalb von kurzer Zeit hatte ich, durch das Geld in was ich investiert hatte und durch Spenden, eine Zuschauerschaft von 200 Abos auf Youtube generiert.
Twitch bot mir zu dem Zeitpunkt 720p und dementsprechend mau war auch die Qualität meiner Streams. Dennoch wollte ich dieses einmalige Chaterlebnis mit meiner Community nicht missen, denn diese trugen, gemeinsam mit meinen Streams, viel zur Individualität, Persönlichkeit und Unterhaltung bei. Mit Streamprojekten wie Naruto oder Minecraft hatte ich viel Spaß und eine unvergessliche Zeit erlebt. Ich bin immer mehr in den Bann und der Faszination von Twitch geraten. Es war ein schönes Gefühl sofort Feedback, trotz mittelprächtiger Qualität zu erhalten.
Nicht vermeidbar prasseln dann auch im Laufe der Zeit immer mehr Meinungen/Kritiken/etc. der Zuschauer auf einen ein. Zudem hat das Multitasking und die psychische Belastung beim Streamen oberste Priorität und es dementsprechend herausfordernder als offscreen Let´s Plays auf Youtube hochzuladen. Dennoch ist die persönliche & zugehörige Chatinteraktion vom einzigartigem Wert –
Kurzum: Livestreamen ist toll! Unabhängig von irgendeiner Plattform!
Und nun zu einem kleinen, persönlichen und privaten Erfahrungsbericht aus dem Blickwinkel eines Streamers:
Als ich eines Tages mein 40k Upload von der Telekom bekommen habe, konnte ich meiner Selbstständigkeit endlich vernünftig nachgehen und besser streamen. Von da an war es, als ob mein gescheitertes Youtube-Leben aufhören und alles besser würde: 5 Tage in der Woche für 4 Stunden streamen, immer schön von 20 bis 22 Uhr und die Zuschauer wurden immer mehr. Später habe ich mich getraut, 12 Stunden und später 24 Stunden zu streamen. Man merkt einen Fortschritt bei sich und bei den Zuschauern. Letztendlich wuchs meine Community immer weiter.
Doch hinter dieser Scheinwelt sieht es aber privat jedoch düster aus.. Denn auch nach dem Streamen, ist Vieles im realen Leben bei mir schief gelaufen und man streamt dann mit Depressionen, um die Zahlen zu halten. Ein fataler Fehler, der mir bewusst ist, aber mir leider keine Wahl lässt.
Twitch ist sehr großzügig zu den Affiliates, Sie geben keine Vorgaben an und wenn man krank ist, ist man krank. Auch hatte ich noch nie eine Abmahnung seitens Twitch erhalten. Allerdings hat Twitch.TV genau wie Youtube ein unfassbares Problem – und zwar die fehlende Kommunikation mit den kleineren Creator, die sich ebenfalls anstrengen und aufgrund der bisher fehlenden Reichweite nicht wertgeschätzt werden. Denn wie auch bekannte Streamer wie Ninja, MontanaBlack, Pokémane, Asmongold, Gronkh und Co. müssen kleinere unbekannte Streamersternchen irgendwie Lebenshaltungskosten wie Strom, Lebensmittel, Internet usw. bezahlen und machen 12-, 24- , 48- oder gar 100-STD-Subathons, mit der Hoffnung, dass ein Twitch-Mitarbeiter oder der Algorythmus anschlägt und man irgendwie entdeckt wird.
Denn neben einfachen Let´s Plays ist auch der Creator für Streaminginhalte, Planungen, Entertainment und Social Media-Verbreitung zuständig und man versucht, trotz bescheidener Technik (wie mein, in die 8 Jahre alten kommenden, Rechner) das Maximum herauszuholen.
Der Frust sitzt einfach tief: Viele Jahre machte ich Twitch via Twitter darauf aufmerksam, wie gut es doch sei, auf die Werbepartner sich nicht nur zu verlassen oder auf Zuschauer spenden, sondern mit einer generierten Kryptowährung nach Stundenzeit fair für alle etwas zu ermöglichen.
Twitch´ Antwort darauf war das Incentive Programm – ein Programm, welches mehr schlecht als recht funktioniert und wo man immer wieder vom Stream rausgerissen wird. Der Unmut stieg aus vielen Gründen darunter auch auf die Glückspiel- und Hot Tub-Streams.
Doch lassen wir doch die Kirche im Dorf und stellen uns eine ganz ehrliche Frage: Denn wie Viele von euch FIFA, Call of Duty, Fortnite, Rocket League, etc. spielen, so gibt es auch bei Spielen wie Genshin Impact ebenfalls Glücksspielelemente in Form von Gacha Games. Und was die Badestreams angeht, so haben wir im nachmittäglichen Fernsehprogramm schon Schlimmeres gesehen.
Mir geht es darum, dass die Reichweite für den Creator steigen sollte. Denn nur so, lassen sich gute Werbedeals umsetzen, die ein festes Einkommen für den Creator zum Leben ermöglichen. Leider gibt es viele Zuschauer oder Mitmenschen, die sich mit der Materie unserer Arbeit als Streamer nicht auskennen (möchten) und man wird mit Sprüchen wie „Geh dir doch einen vernünftigen Job aussuchen. Da lernst mal richtig zu arbeiten!“ abgespeist…
Doch wie sieht es aus, wenn man eine 80% Schwerbehinderung (Spinale Muskelatrophie) hat? Bedauerlicherweise wurde ich hierzulande als Mensch mit Schwerbehinderung innerhalb der Krise ausgegrenzt und vernachlässigt, sodass mir nichts Anderes übrig bleibt das Beste aus der Situation zu machen und weiterzukämpfen. Dass ich, aufgrund meiner Erkrankung, eine geringere Lebenserwartung habe als Andere interessiert niemanden.
Zitat: Die Spinale Muskelatrophie ist eine relativ häufige „Seltene Erkrankung“: Ungefähr eines von 6 -10.000 Neugeborenen ist betroffen und ungefähr eine von 45 Personen ist Überträger der Erkrankung. SMA beeinträchtigt alle Muskeln des Körpers, wobei die sogenannten proximalen Muskeln (die dem Rumpf am nächsten sind, z.B. Schulter-, Hüft- und Rückenmuskulatur) am schwersten betroffen sind. Die Schwäche in den Beinen ist im Allgemeinen größer als in den Armen.
https://www.dgm.org/muskelerkrankungen/spinale-muskelatrophie
Ihr könnt euch also vorstellen wie es sein muss, mit den „normalen“ Streamern mitzuhalten. Mit dem Incentive Programm von Twitch schöpfte ich letztes Jahr richtig Hoffnung, indem man eine feste Zahl an Stunden streamt und man ein festes Einkommen bekommen würde.
„Ein Traum!“ dachte ich und endlich: Die lang erwartete Hoffnung um endlich in meinem Leben voran zu kommen – ohne Schulden, noch sonstigen psychischen und physischen Stress.
Doch bis heute, egal ob ich 117 Stunden in den letzten 30 Tagen gestreamt habe oder nicht, habe ich keine Einladung bekommen. Noch dazu, dass viele Zuschauer genötigt werden, sich 6 bis 7 Werbespots anzuschauen, in dem ich keinen Einfluss habe. Wäre ich ein stinknormaler Zuschauer ohne Streamingerfahrung, würde ich das auch nicht tun und lieber mit AD Blocker schauen. Dumm nur, dass die Streamer bzw. Content Creator nichts dabei verdienen.
Und als ob das nicht schon schlimm genug sei, stiegen, während Corona die Lebensmittelpreise so exponentiell an, dass ich mich immer mehr finanziell einschränken muss. Zudem versucht der Vermieter seit nunmehr 2 Jahren mich mit Falschbehauptungen, einen Hausfriedensbruch und Nötigungen mich zu verklagen, weil sein Hotel in den Ruin geht und nun versucht, sich irgendwie Geld an mir wiederzubeschaffen.
Allerdings darf ich mir während des Streams bzw. Let´s Plays nichts anmerken lassen und muss funktionieren, in dem ich meinen Körper und meine Psyche bis ans Maximum powern muss, damit ich endlich aus diesem Pfuhl herauskomme. Nur um dann erlösend sagen zu können, dass ich es geschafft habe.
Und währendessen hält Twitch/Amazon es wohl für eine gute Idee, nicht mit den Creator zu sprechen, sondern stattdessen lieber Entscheidungen zu fällen, die gegen diesen arbeiten. Amazon/Twitch könnten, wenn sie wollten, Youtube Konkurenz machen. Dennoch werden die Creator weiterhin ignoriert und die kleinen fühlen sich resigniert. Denn: Wenn schon die Großen gerade verzweifelt sind und keinen Bock mehr haben, ja warum sollte ausgerechnet ich den jetzt irgendwas ausrichten können?
Da ein Email-Verkehr eine geschützte Form ist, kann ich den hier leider nicht einfach zitieren. Aber ich kann euch sagen, dass Twitch mir vor ein paar Tagen 6 Seiten Text zukommen lassen, nachdem ich ihnen meine Sorgen mitteilte und sie mich endlich ernst genommen hatten.
Ich möchte gerne, das wir bei dem ganzen Revolutionsgeschreie nicht vergessen, das die Supporter auch nur Menschen sind. Denn ich denke, dass es jetzt ein guter Zeitpunkt ist, um Liberalität in den Creator Markt einzuführen. Und zwar plattformunabhängig, um die Möglichkeiten und Chancen ergreifen zu können, um dem alten Fernsehen zu zeigen, was viele Socialmedia-Plattformen bewirken können und wie user generated content die Chance bietet, die Menschheit voranzubringen.
TwitchTV, Trovo, Youtube, DLive , Kick und andere Plattformen haben alle ihre Vor- und Nachteile und technische Dienstleister wie Restream.io ermöglichen es, mit ihrem technischen Gegebenheiten auf allen Plattformen Zuschauer weltweit etwas Freude zu schenken, während die Welt gerade um sie am Brennen ist.
Denn viele großartige Schöpfer wie , Knossi (Twitch) , Gronkh (Twitch), Ice Poseidon (Kick), aber auch kleine wie McHums (Twitch) , xGuddy87x (Trovo), Berliner Eck (Trovo.Live) , anjury78 (Kick.com) müssen gesehen werden und auffindbar sein, denn nur mit Innovation, Individualität und Kreativität können sie wachsen und von ihren Inhalten irgendwann Leben.
In einer Zeit von Niedriglohn und Ausbeutung in klassischen Jobs, ist es heutzutage umso wichtiger, dass große und kleine Techunternehmen gute Antworten liefern. Denn jeder Mensch sollte das Recht haben seinen Traum leben zu können, ohne dass ein 50% GdB Schwerbehinderterten Status auf ihn wartet, nur weil jemand für Niedriglohn schuftet und seinen Rücken nicht mehr spüren kann. Ungleich dessen, wie toll die Politik das findet, so ist jeder Mensch in meinen Augen gleich viel wert. Denn eines ist einfach klar:
Beim Kacken machen wir alle den Rücken krumm.
Darum bitte ich Twitch und alle anderen Plattformen drum, einfach mal auf uns zu hören und uns ernst zu nehmen. Denn nur weil manche Ausnahmen gegen die TOS verstoßen (möchten), heißt das noch lange nicht, dass wir alle ein unverantwortlicher Haufen sind. Darum gebt doch diesen Newcomer auch mal Chancen und im Austausch bekommt ihr entsprechend zufriedene Creator und Zuschauer. Und lasst bei allen Plattformen auch Wachstum & Umsatz zu. Denn mit Gewinn, besteht auch die Möglichkeit auf mehr Bestellungen über Amazon. Aber den Wirtschaftskreislauf brauche ich eigentlich nicht zu erklären…
Von daher wünsche ich uns allen (künftigen) Creator viel Erfolg auf dieser Reise mit besserer Qualität, Transparenz, besseren Arbeitsbedingungen, sowie mehr kreative Schöpfung, die am Ende zu den alten verstaubten Medien aufsteigen können.
Sebastianos Jungluth (CEO | EgamersNetworkTV)